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Report

Berichtszeitraum: 01. Juli - 30. September 2020: Report zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht

Im dritten Quartal 2020 stand Europa auch während der Corona-Pandemie nicht still. Zahlreiche aktuelle Entwicklungen im europäischen Arbeits- und Sozialrecht werden in der dritten Ausgabe des HSI-Reports dargestellt.

Eine bedeutende Entscheidung hatte der EuGH jüngst zur Auslegung der Leiharbeitsrichtlinie getroffen (Rs. C-681/18 - JH/KG). Es ging um die praxisrelevante Frage, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz von Leiharbeitnehmer*innen auf einem Arbeitsplatz als "vorübergehend" anzusehen ist. Diese Frage ist auch für das noch anhängige Vorlageverfahren des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in der Rs. Daimler von Bedeutung. Wir danken Ernesto Klengel für sein engagiertes und kurzfristiges Verfassen der Anmerkung zur Entscheidung in der Rs. JH/KG.

Das nationale Urlaubsrecht ist stark von unionsrechtlichen Vorschriften und deren Auslegung durch den Gerichtshof geprägt. Insoweit ist es von besonderer Bedeutung, dass das Bundesarbeitsgericht erneut mehrere Vorabentscheidungsersuchen in diesem Themenfeld an den EuGH gerichtet hat. Konkret geht es darum, ob der aufgrund von Krankheit oder Erwerbsminderung nicht in Anspruch genommene Jahresurlaub nach einem Übertragungszeitraum entfällt, wenn der Arbeitgeber nicht darauf hingewirkt hat, dass der Urlaub rechtzeitig genommen wird (BAG-Az. 9 AZR 401/19 (A) und 9 AZR 245/19 (A)). Eine weitere Vorlage betrifft die Berücksichtigung von Urlaubszeiten für tarifliche Mehrarbeitszuschläge (BAG-Az. 10 AZR 210/19 (A)). Daneben bietet ein belgisches Vorlageverfahren dem Gerichtshof die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum sog. "Kopftuchverbot" am Arbeitsplatz zu konkretisieren (Rs. S.C.R.L.).

Der EGMR hatte in der Rs. Sensafak / Türkei (Nr. 5999/13) über die Zulässigkeit strafrechtlicher Sanktionen zu befinden, die gegenüber einem Gewerkschaftsmitglied wegen Teilnahme an einer nicht angekündigten Gewerkschaftsdemonstration anlässlich des internationalen Frauentages verhängt wurden. Der Gerichtshof stellte fest, dass eine fehlende Vorankündigung an sich keinen Eingriff in die friedliche Versammlungsfreiheit rechtfertige. Klaus Lörcher danken wir für seine Einordnung dieses Urteils im Rahmen der Anmerkung unter III.

In neu anhängigen Verfahren wird sich der EGMR u.a. mit der Zulässigkeit einer Kündigung wegen privater Nutzung eines Diensttelefons (Rs. Tomiæ / Kroatien) und Fragen des Antidiskriminierungsrechts befassen. Im Kontext von vier rentenrechtlichen Verfahren wies der Gerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass ein laufender Rechtsstreit grundsätzlich nicht durch eine gezielte rückwirkende Gesetzesänderung beeinflusst werden darf (Rs. Avellone u. a. / HSI-Report 3/2020 Seite 3 Italien, Facchinetti / Italien, Grieco / Italien und Pellegrini / Italien). Die hohe Bedeutung angemessener Vorkehrungen für die Teilhabe von Kindern mit Behinderungen am Grundschulunterricht wurde in der Rs. G.L. / Italien hervorgehoben.

Abseits der Maßnahmen rund um die Covid-19-Pandemie gab es im vergangenen Quartal einige weitere rechtspolitische Entwicklungen im europäischen und internationalen Arbeits- und Sozialrecht. In der EU-Kommission wurden die Strategien zur vertrauenswürdigen Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) weiter vorangebracht. KI ist auch das Thema von vier Berichten, die vom Ausschuss für Soziales, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats verabschiedet wurden. Zum Thema nachhaltiger Unternehmensführung - auch in Bezug auf Lieferketten - wurde eine öffentliche Konsultation durchgeführt. Die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung und Automatisierung für die Arbeitswelt sind Gegenstand einer Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner (BusinessEurope, SMEUnited, CEEP und ETUC). Im August wurde vom letzten Mitgliedstaat der ILO das Übereinkommen Nr. 182 zur Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit ratifiziert, womit dieses nun innerhalb der ILO universelle Geltung hat.

Quelle

Report zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht
HSI Report, 60 Seiten

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