Systemrelevant Podcast: Der Koalitionsvertrag und das Arbeitsrecht
Was ist im Koalitionsvertrag bei so wichtigen Themen wie dem Mindestlohn und Bürgergeld, Mitbestimmung, bei Tarifbindung, der Arbeitszeit oder dem Lieferkettengesetz geplant?
[12.05.2025]
In unserer 242. Ausgabe besprechen Moderator Marco Herack und Ernesto Klengel, der Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts (HSI), die arbeitsrechtlichen Aspekte des neuen Koalitionsvertrags der Bundesregierung. Gibt es Grund zur Hoffnung auf Verbesserungen bei bestimmten Bereichen, sind grundlegende Änderungen vorgesehen – oder nur einzelne Anpassungen bestehenden Rechts?
Ernesto Klengel äußert verhaltene Hoffnungen auf Verbesserungen in Bereichen wie der sozialen Infrastruktur und der Situation der Kommunen. Allerdings vermisst er aber eine größere, langfristige Perspektive in der Politik, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Erfreulich sei jedoch, dass einige befürchtete Verschlechterungen, wie die Streichung eines Feiertags oder Eingriffe ins Streikrecht, nicht enthalten sind. Er mahnt aber auch, dass Stillstand im Arbeitsrecht leider oft Rückschritt bedeuten würde, da Unternehmen Möglichkeiten zur Umgehung bestehender Bestimmungen fänden.
Zu den einzelnen besprochenen Bereichen:
Einigkeit herrschte bei den Koalitionspartnern beim Thema Fachkräftemangel: Die Integration ausländischer Fachkräfte und die Anerkennung ihrer Qualifikationen sollen verbessert werden. Auch Frauen, die familiär bedingt beruflich zurückstecken, soll es durch eine bessere Kinderbetreuung erleichtert werden, wieder schneller und umfangreicher berufstätig zu werden. Problem leider nach wie vor: Die unzureichende Anzahl an Fachkräften in der Kinderbetreuung, was die Umsetzung erschwert.
Beim Mindestlohn bekennt sich der Koalitionsvertrag zur aktuellen Struktur mit der Mindestlohnkommission und nennt das Ziel von 15 Euro im Jahr 2026 als "erreichbar". Die genaue Umsetzung bleibt der Entscheidung der unabhängigen Kommission überlassen.
Die Formulierung zur „Weiterentwicklung der Mitbestimmung“ sei eher vage. Deutlich positiv wird die geplante Stärkung der Tarifbindung hervorgehoben. Der Satz „Tariflöhne müssen wieder die Regel werden“ sei erstaunlich klar und erfreulich. Konkrete Maßnahmen sind die Tariftreueregelung bei öffentlichen Aufträgen des Bundes ab 50.000 Euro und die steuerliche Besserstellung von Gewerkschaftsbeiträgen.
Ein weiterer Erfolg ist die geplante gesetzliche Verankerung eines digitalen Zugangsrechts für Gewerkschaften zu Beschäftigten im Homeoffice, analog zum bestehenden analogen Zugangsrecht.
Kritisch wird die geplante Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit betrachtet, die unter dem Schlagwort „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ geführt wird. Ernesto Klengel befürchtet eine faktische Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes, potenziell längere Schichten und negative Auswirkungen auf die Gesundheit, ohne dass eine klare Obergrenze für die wöchentliche Arbeitszeit im Gesetz genannt wird.
Kritisiert wird auch die Absicht der Regierung, das bestehende Lieferkettengesetz abzuschaffen und durch eine neue Regelung zur internationalen Unternehmensverantwortung zu ersetzen, die die EU-Lieferkettenrichtlinie „bürokratiearm und vollzugsfreundlich“ umsetzen soll.
Für genauere Infos und weitere Themen, wie etwa die geplante Grundsicherung für Arbeitssuchende, die aus dem Bürgergeld hervorgehen soll, hört in unsere neue Folge rein.
Moderation: Marco Herack
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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