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Systemrelevant Folge 270 Ernesto Klengel Podcasts

Systemrelevant Podcast: Arbeitsrecht und Sozialrecht: Mindestlohnrichtlinie, Diskriminierung und Medikamentenpreise

Wie die EuGH-Entscheidung zur Mindestlohnrichtlinie zu bewerten ist, was es mit assoziierter Diskriminierung auf sich hat und was es für Auswirkungen besitzt, wenn eine Kostenübernahme bei hochpreisigen Medikamenten abgelehnt wird, diskutieren Ernesto Klengel und Christina Hiessl.

[20.11.2025]

Unmittelbar vor der Aufzeichnung wurde die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Mindestlohnrichtlinie der EU veröffentlicht. Wichtig dabei: Entgegen irreführender Schlagzeilen wurde weder der nationale Mindestlohn (der in Deutschland aus dem Mindestlohngesetz resultiert) noch die EU-Richtlinie als Ganzes gekippt. So überwog die positive Gesamtwirkung und die Erleichterung über das Urteil. Auch wenn die Richtlinie vom EuGH in einigen Punkten zurückhaltend ausgelegt wird.

Ernesto Klengel (Direktor des Hugo-Sinzheimer-Instituts, HSI) und Christina Hiessl (Professorin für Arbeitsrecht an der KU Leuven und Gastprofessorin für soziale Absicherung an der Yonsei Universität Seoul) sind der Meinung: Die Richtlinie behält ihre wichtige politische Signalwirkung als Zeichen für eine sozial betonte Marktwirtschaft in der EU und als Aufforderung an die Mitgliedsstaaten, angemessene Mindestlöhne und stärkere Tarifbindung zu gewährleisten.

Ein zweites zentrales Thema der Folge ist ein Urteil zur sogenannten assoziierten Diskriminierung im Arbeitsrecht. Kern des Falls und Urteils: Gilt der Schutz vor Diskriminierung und die damit verbundene Pflicht des Arbeitgebers zu „angemessenen Anpassungen“ nur für behinderte Arbeitnehmer*innen selbst oder auch für Arbeitnehmer*innen, deren Familienmitglieder behindert sind (assoziiertes Verhältnis)?

Nach dem Urteil, welches das assoziierte Verhältnis bejaht, ist zu erwarten, dass dieser Schutz noch weiter ausgelegt wird und nicht nur auf das Verhältnis „Eltern-Kind“ beschränkt bleibt, sondern möglicherweise auch andere nahe Verhältnisse (z. B. pflegende Angehörige) oder sogar den Einsatz für Dritte (wie in einem früheren Fall zur Schwangerschaftsdiskriminierung) umfasst.

Abschließend geht es um ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu einem Schweizer Fall, bei dem eine schwer erkrankte Klägerin gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für ein hochpreisiges, nicht zugelassenes Medikament durch ihre Krankenkasse klagte. Die Klage wurde abgelehnt.

Der EGMR betonte aber, dass das gewährte Niveau der Gesundheitsversorgung allen gleichermaßen zukommen muss und keine Gruppen von bestimmten Leistungen ausgeschlossen werden dürfen. Dies wird als wichtiges Signal bezüglich aktueller Debatten in Deutschland gewertet. In denen ging es zuletzt z. B. um die Vorschläge von Hendrik Streeck, dass sehr alte Patient*innen wegen der hohen Kosten der Zugang zu bestimmten Therapien und Medikamenten verwehrt werden sollte, was einer Altersdiskriminierung bei Gesundheitsleistungen gleichkäme.

Alle Informationen zum Podcast

In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.

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