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Systemrelevant_245_Klengel und Gruber-Risak HSI-Report Podcasts

: Was sich im europäischen Arbeits- und Sozialrecht gerade bewegt

Wie wirken sich aktuelle DSGVO-Urteile auf das Arbeitsrecht aus? Was tut sich beim Schutz vor Belästigung am Arbeitsplatz? Wie ist der Stand bei der EU-Mindestlohnrichtlinie und der Arbeitszeiterfassung? Diese und weitere Themen analysieren Ernesto Klengel, Martin Gruber-Risak und Marco Herack.

[28.05.2025]

In der aktuellen Folge unseres Podcast Systemrelevant sprechen Ernesto Klengel, wissenschaftlicher Direktor des HSI (Hugo-Sinzheimer-Institut) und Prof. Martin Gruber-Risak von der Universität Wien die neuesten Entscheidungen und Entwicklungen im europäischen Arbeits- und Sozialrecht mit Moderator Marco Herack. Themenschwerpunkte sind Datenschutz am Arbeitsplatz, der Umgang mit sexueller Belästigung, die EU-Mindestlohnrichtlinie und die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung. Zum Abschluss werfen sie einen Blick auf die aktuellen Regierungsprogramme (Deutschland und Österreich) – mit Fokus auf europäisches Arbeits- und Sozialrecht

DSGVO und Betriebsvereinbarungen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem aktuellen Urteil klargestellt: Betriebsvereinbarungen im Arbeitsumfeld müssen die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vollständig erfüllen, um als rechtliche Grundlage für die Datenverarbeitung zu gelten. Ernesto Klengel erklärt dazu: „Die DSGVO […] ist der Maßstab, den auch Betriebsvereinbarungen erfüllen müssen.“ Im Zentrum des Falls stand die Einführung der HR-Software Workday. Ein Mitarbeiter bezweifelte, dass die Betriebsvereinbarung zur Testphase mit der DSGVO vereinbar sei – insbesondere wegen der Verarbeitung personenbezogener Daten auf externen Servern. Laut Martin Gruber-Risak bedeutet das Urteil auch eine Entlastung für Betriebsräte: „Selbst wenn ich die Betriebsvereinbarung unterzeichne, ändert das nichts an der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme, wenn sie nicht DSGVO-konform ist.“

Das Urteil zeigt deutlich: Betriebsräte behalten wichtige Mitbestimmungsrechte, doch die DSGVO setzt die rechtlich verbindliche Untergrenze. „Der Betriebsrat kann über zusätzliche Anforderungen verhandeln. Da hat er die entsprechenden Mitbestimmungsrechte. Und nach unten ist eben die Grenze gesetzt durch die Datenschutzgrundverordnung. Ich glaube, wenn man das so versteht, dann ist das eine sehr positive Entwicklung, die wir da sehen“, so Klengel weiter.

Sexuelle Belästigung: Im Fall einer türkischen Zahnärztin, die ihren Chefarzt wegen sexueller Belästigung anzeigte, urteilte der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Nationale Gerichte hätten versäumt, den Kontext ausreichend zu berücksichtigen. Der Arzt soll sie gestalkt, in ihre Wohnung gedrängt und zu sexuellen Handlungen gezwungen haben. Die Anzeige erfolgte erst nach zwei Jahren – aus Angst vor dienstrechtlichen Konsequenzen. „Gerade im Lichte der MeToo-Debatte ist die kontextsensitive Bewertung von Beweisen entscheidend, um Betroffene besser zu schützen“, so Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak. Der EGMR betonte, dass insbesondere Abhängigkeitsverhältnisse im Arbeitsumfeld bei der Beweiswürdigung stärker zu gewichten seien.

Im weiteren Verlauf der Folge wird zunächst die aktuelle Entwicklung rund um die EU-Mindestlohnrichtlinie diskutiert. Gruber-Risak schildert den Status Quo, wonach die Richtlinie von einem skandinavischen Staat – mit Unterstützung eines weiteren – angefochten wird. Der Vorwurf: Der EU fehle die Kompetenz zur Regelung des Arbeitsentgelts. Weitere Themen sind das Streikrecht laut Europäischem Ausschuss für soziale Rechte, ein EGMR-Urteil zur Entlassung eines Lehrers in Polen wegen eines Blogbeitrags mit sexuellen Inhalten und die Arbeitsbedingungen bei der EZB.

Des Weiteren geht es um die Arbeitszeiterfassung. Wie verbindlich ist sie? In Deutschland heißt es im Koalitionsvertrag: „Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich.“ Für Ernesto Klengel ist das „wirklich fraglich“, denn der EuGH verlangt, dass „wirklich in jedem Arbeitsverhältnis“ die Zeit erfasst wird – auch bei Hausangestellten. In Österreich sorgt die Wochenendruhe für Diskussion: Eine EuGH-Entscheidung verlangt die Trennung von täglicher und wöchentlicher Ruhezeit. Das Regierungsprogramm will dagegen „die bisherige Rechtslage und Praxis beibehalten“. Zwei Länder, ein Thema – mehr dazu in Systemrelevant ► Jetzt reinhören!

[Moderation: Marco Herack]

Alle Informationen zum Podcast

In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.

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